„Der Staat hat bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.“
Dieses als Elternrecht bezeichnete Grundrecht ist in Artikel 2 2. Satz 1. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert und genießt daher in Österreich Verfassungsrang.
Es verbietet dem Staat eine religiöse oder weltanschauliche Indoktrination der Schüler (Indoktrinationsverbot). Das heißt, dem Staat ist es nicht verwehrt, einen Unterricht durchzuführen, der religiöse oder weltanschauliche Fragen berührt. Die Vermittlung von Informationen und die Erziehung in religiösen oder weltanschaulichen Fragen müssen aber in einer „objektiven, kritischen und pluralistischen Form“ erfolgen. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Bestimmung des Art. 2 1. ZPEMRK interpretiert (vgl. EGRM, Kjeldsen ua., EuGRZ 1976, 478).
Das Elternrecht gilt auch im Bereich des öffentlichen Unterrichtswesens: Das heißt, Eltern müssen sich nicht auf die Möglichkeit verweisen lassen, ihre Kinder auf eine Privatschule zu schicken oder sie privat zu unterrichten, um einen ihren Überzeugungen entsprechenden Unterricht zu erlangen.
(Vgl. dazu Walter Berka, Verfassungsrecht, 5. Auflage, Wien 2014, Rz 1539)
Siehe auch Beutelsbacher Konsens, der vom damaligen Minister Fred Sinowatz 1974 bestätigt wurde.
Die Sexualerziehung ist ohne Zweifel ein Unterrichtsbereich, der religiöse oder weltanschauliche Fragen berührt. Manche Passagen des neuen Grundsatzerlass erscheinen als weltanschaulich tendenziös und könnten daher als Verstoß gegen das Indoktrinationsverbot und damit als Einschränkung des Elternrechts gemäß Art 2 2. Satz 1. ZPEMRK gewertet werden.